en | dt

Barbara Köhler

LETHE
LETHE | WASSERLÖSUNG
Wortschätze, Sprachmaterial aus Hydrogeologie, Erdgeschichte, antiken Unter¬weltvorstellungen, besonders aber aus dem Fachjargon der Bergleute bilden die Quellen, die in einem Raum und vier Texten zur Reaktion gebracht werden, in Bewegung: zum Sprechen. Wörter für das, was vom Ruhrbergbau bleibt – Erinnerungen und "Ewigkeitslasten". LETHE ("Vergessen, Verborgenheit") war einer jener Flüsse, von denen im alten Griechenland die Vorstellung eines unterirdischen Totenreichs durchzogen war. Legendär, aber auch schon fast vergessen ist die tatsächliche Geschichte von der kalkulierten Absenkung der Ruhrorter Häfen in den 1950/60er Jahren durch Abbau der darunterliegenden Kohlenflöze; eins davon Flöz Sonnenschein.

Barbara Köhler befasst sich, anlässlich der Ausstellung "Kunst & Kohle", mit der Sprache der Bergleute und des Bergbaus und verwandelt 2018, im DKM Museum Duisburg einen Raum in ein "Wort-Flöz".
 
Die Verborgenheit: Lethe, Fluss des Vergessens Wasserwegigkeit durch Unterwelten, die marinen Horizonte, Fossilhorizonte: Linguliden blindes
taubes Material sprachzüngelnd durchsickernder
Sinn in die Rede: Wie ließe und wo Wasser sich
halten, wie Wort? Ein Wort wie Ewigkeitslasten
wie Wasserhaltung wie Vorflut; die Quellenlage
eher unklar aber Lethe fließt von jeher Wörter
treideln bergauf zum Rhein: wo die Ruhr mündet
liegen die Häfen tiefer über Flöz Sonnenschein

Geschichte, prähistorisch: Mächtigkeiten, Mächte.
Die Meere, Moore, Wälder im Gebirge: Gezeiten und
Gezähe, das sie aufbrach – aufbrach die Horizonte
zu durchfahren das Geschichte der Zeit von Mooren
Wäldern Meeren die untergingen zum Gebirge wurden
aufgebrochen abgebaut verheizt verstromt versetzt
die Berge ungeborgen ins Freie Bergfreie gefallen
Meere Wälder Moore: Mächte, vergessen. Ein Wasser
steigt Erinnerung durch aufgeweichte Seigerrisse.
Der Steiger? Kommt nicht mehr; die Meere steigen.