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Barbara Köhler

Elf ½, 2008/2021
Barbara Köhler konzipierte diese Textinstallation eigens für die Gruppenausstellung Grenzfälle des Raumes, Galerie m.
Das bereits 2008 verfasste Gedicht beschreibt die menschliche Verortung im Raum und Grenzerfahrungen. Wir sind von der Schwerkraft bestimmt, stehen auf festem Grund, sind immer an die Grenzen des Raumes gebunden. Als Gegenpol zur Begrenzung thematisiert Köhler unsere Suche nach Weite und wie wir Raum mit unseren Sinnen erfassen. An dieser Sinneserfahrung schließt die Realisierung des Textes als Wandinstallation an. Die Arbeit erstreckt sich über die volle Wandbreite. Es ergeben sich Wortfragmente durch abrupte Zeilenumbrüche an den äußeren Rändern der Wand. Die Worte werden zu dynamischen Objekten, deren Erscheinung unbeständig ist. In seiner Monumentalität wird das Geschriebene nicht nur im Textzusammenhang gelesen, sondern im Einzelnen erfahren. Die Schrift wird zum Erfahrungsraum.
 
Elf 1/2, 2008/2021
Ausstellungsansicht
Galerie m
Selten erscheint etwas so anziehend, so stark wie oder sogar
stärker als der boden unter unsren füßen; selten enthebt uns
etwas der schwerkraft, löst uns aus der abhängigkeit von flä
chen, von denen wir abstehen auf zwei beinen, auf denen wir,
schritt und tritt, stehen und gehn. Selten. Wir ragen hinein
in den raum, die räume, bestehen aber immer auf gründen. Wir
reden davon, wir sitzen, wir liegen, wir gehn auf händen und
stehn auf dem kopf, wir stoßen uns ab, wir springen, wir fal
len dem erdkern zu, sind grenzfälle des raumes. Immerhin kön
nen wir schwimmen. Doch fürchten wir den boden unter den füs
sen zu verlieren; wir fürchten, so sagen wir, uns – als gäbe
es da und dafür auch einen grund.


Vögel und fische, die sich unabhängig von flächen im raum be
wegen können, haben die differenz im blick, sie sehn wie wir
hören: nach 2 seiten, ohne überlagerungsbereich, interferenz
zone der bilder, ohne ein »vorn«, ohne fokus: weite. Wir kön
nen höchstens weit sehen, was (in bestimmter hinsicht) einem
gehen gleichkommt, aber dennoch zu kurz. Weite sehn wir eher
als akustisches phänomen; vielleicht nehmen vögel und fische
raum ja wahr wie wir musik… Und vielleicht machen wir musik,
weil wir das weite suchen; etwas, das so stark wäre wie oder
stärker als der boden unter unsren füßen, stärker als schwer
kraft. Etwas das uns aufwiegt. Vielleicht ist das die kunst,
ist das glück: ein vielleichtes.