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Aino Kannisto

Interview
Warum konzentrieren Sie sich auf menschliche Emotionen? Wann und wie haben Sie sich entschieden, es zu tun?
Menschliche Gefühle können uns miteinander verbinden und gleichzeitig trennen. In gewissem Sinne gehören nur unsere Emotionen uns selber. Indem ich meine Gefühle mit anderen teile, hilft es mir mit meinen Problemen umzugehen. Ich habe nie wirklich beschlossen, einen spezifischen künstlerischen Ansatz zu folgen; es ist eben das, was rauskommt. Ich hatte schon immer ein intensives Bedürfnis mich auszudrücken, mein Inneres auszudrücken. Obwohl das Fotografieren für mich eine große Quelle der Freude bedeutet, hilft es mir mit dem Druck und der Komplexität des Lebens in dieser Welt zurechtzukommen.

Warum haben Sie sich entschieden, Fotografien von sich selbst zu machen, um Gefühle auszudrücken? Ich meine Sie könnten Bilder anderer Szenen oder Objekte fotografieren, oder andere Personen die Rolle übergeben, die Sie innehaben, wenn Sie möchten.
Es gibt komplexe emotionale, sowie einfache praktische Gründe mich selber für die Bilder zu verwenden. Natürlich bin ich immer verfügbar, in einer Art und Weise wie kein anderer es könnte und ich sage niemals nein. Ich habe nie verweigert, dass ein Bild öffentlich wird, weil es mich möglicherweise in einem wenig schmeichelhaften Licht zeigt. Ich muss nur mit meinen eigenen Grenzen umgehen. Vielleicht habe ich auch ein Bedürfnis mit meinen Grenzen auf diese Weise umzugehen.

Warum konzentrieren Sie sich besonders auf Angst, Trauer, Verzweiflung, Nervosität, etc.? Warum befassen Sie sich nicht mit Fröhlichkeit und Freude?
Ich habe nie wirklich entschieden, mich auf bestimmte Arten von Emotionen zu spezialisieren. Vielleicht sind es die positiven Gefühle, die weniger Pflege bedürfen. Sie zeigen sich viel leichter. Es sind die tief sitzenden, negativen Empfindungen an denen gearbeitet werden muss, um sie loszulassen.

Wenn Sie die Personen in Ihren Bildern spielen, frage ich mich, ob es eine Grenze geben kann: Es gibt vielleicht ein paar Emotionen, die Sie nicht spielen und mit sich selbst als eine junge hübsche Frau ausdrücken können. Repräsentieren Sie, was Sie selber schon einmal gefühlt haben, oder was sie fühlen könnten? Gibt es ein bestimmtes Spektrum, das Sie ausdrücken möchten?
Seit ich keine digitalen Bilder mache, gibt es natürlich physikalische Grenzen. Meine eigene körperliche Erscheinung und die konkrete Wirklichkeit setzen ihre Grenzen.
Aber ja, will ich Emotionen ausdrücken, die ich selber gefühlt habe. Glücklicherweise sind diese Gefühle nicht alle gegenwärtig in meinem Leben. Alles was ich jemals erlebt oder gefühlt habe, ist in mir und hat Einfluss auf die eine oder andere Weise auf mich. Ich muss zugeben, dass ich noch nie über die Frage, was ich glaube fühlen zu können, nachgedacht habe. Wenn es ein gewisses Spektrum von Emotionen gäbe, die ich auszudrücken vermag, bin ich mir dessen nicht bewusst, sofern ich diese genauer bestimmen könnte. Wenn ich auf meine Arbeit zurückblicke, erkenne ich einige Tendenzen und Ähnlichkeiten. Oft ist das Ergebnis des Bildes ganz anders, als mein Anfangsgedanke war. Ich hatte vielleicht die Idee eines fröhlichen Bildes, doch das Resultat scheint künstlich und unwahr, sodass ich sie am Ende verworfen habe. Wenn ich die Fotografie betrachte, muss es sich für mich echt anfühlen.

Von welchem Fotografen wurden sie beeinflusst? Viele, auch ich, denken an Cindy Sherman. Ich weiß, dass es eine Erwähnung gab (in einem kurzen Video, das die Ausstellungs-Gruppe im Marta-Herford erwähnt), die Ihre Bilder und Shermans in einen gleichen Kontext legen.
Die Werkgruppe von Nan Goldin, Diane Arbus, Sally Mann, Francesca Woodman und Ulla Jokisalo haben mich tief in den Anfängen meiner fotografischen Reise inspiriert. Die Schönheit mit schwieriger Thematik kombiniert, ist was mich von Beginn an fasziniert. Und darin besteht für mich immer noch der Trick. Wenn ich jemals über die Fotografie als Mittel der Kunst zweifle, gehe ich zurück auf die Bücher dieser wunderbaren Künstlerinnen. Ich interessierte mich für Cindy Shermans Herangehensweise an die Fotografie von Anfang an, aber eigentlich fing ich ein bisschen später an ihre Arbeit wirklich zu mögen. Zuerst fand ich Shermans Bilder definitiv faszinierend, aber etwas unansehnlich und unbeholfen.

Inwieweit erinnern Sie sich an Ihre Träume, nehmen Ihre Tagträume wahr oder Gedanken an Momente?
Bilder und Vorstellungen von Bildern kommen wie eine Art Offenbarung in meinen Kopf. Ich schreibe die Ideen auf ein Stück Papier oder was auch immer griffbereit ist. Meine Notizen ähneln eher einer Einkaufsliste als etwas Aufwändiges. Manchmal zeichne ich sehr plump Skizzen. Am Ende sind die Fotografien weit von den vagen Ideen entfernt, mit denen ich gestartet bin.

Von Ihren ersten Jahren bis heute, wie denken Sie haben sich ihre Fotografien verändert?
Ich möchte glauben, ich wäre als Künstlerin gereift, aber es ist wirklich nicht meine Aufgabe dieses zu beurteilen. Ich stehe meiner Arbeit zu nahe, um irgendeine klare Analyse der Veränderungen abzugeben. Ich werde immer noch nervös am Beginn des Prozesses einer neuen Arbeit. Jeder Moment findet im Unbekannten statt, in dieser Hinsicht habe ich mich nicht verändert.
Was die technischen und praktischen Aspekte betrifft, bin ich ungezwungener geworden. Ich glaube, meine visuellen Vorlieben haben sich seit Beginn meines beruflichen Werdegangs vielleicht etwas mehr in eine asketische und monochromatische Richtung hin verändert.

Die Frau in Ihren Fotografien sieht meistens unsicher, einsam oder bedrückt aus. Wie ist es bei Ihnen als reale Person und Künstlerin, die diese Bilder gemacht hat, aus?
Ich habe unterschwellig Ähnlichkeit mit den Frauen in meinen Bildern, aber ich bin ein fröhlicher Mensch, der die einfachen Dinge im Leben schätzt. Es gibt nichts besseres als Lachen und die Liebe. Ich zelebriere Freundschaften und Familie, für mich ist es sehr wichtig mich verbunden zu fühlen. Ich bin damit beschäftigt, dass mein Freund denkt, ich sei obsessiv, aber in meinem Alltag ziehe ich unglaublich viel Freude aus den wunderschönen kleinen Dingen, wie Farben oder hübsche Details. Ich persönlich schätze Intimität, Großzügigkeit, Toleranz und einen guten Sinn für Humor. Hoffentlich habe ich ein bisschen von allem in mir.

Kyung-Min Kang
ELLE, Januar 2012
(Übersetzung Galerie m Bochum)
 
Untitled (Brown Door), 2007 | Untitled (White Mirror), 2006 | Untitled (Woman wrapped in Towel), 2007
C-Print auf Alu Dibond, 90 x 111 cm
Untitled (Green Dress), 2013, 90 x 128 cm | Untitled (Staircase Balustrade), 2013, 90 x 130 cm | Untitled (Rosary), 2012, 90 x 122 cm
C-Print auf Alu Dibond