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Ausstellungsinformationen

Out of the Blue - Aus heiterem Himmel
James Benning, Paco Fernandez, Thomas Florschuetz, Kuno Gonschior, Mary Heilmann, François Morellet, Bruce Nauman, François Perrodin, Günter Umberg, Elisabeth Vary, Caroline von Grone, Peter Wegner

Die gattungsübergreifende Werkauswahl der diesjährigen Gruppenausstellung der Galerie m lässt sich unter der Redewendung „Aus heiterem Himmel“ zusammenfassen. Dabei kristallisieren sich in der Kombination mit dem englischen Äquivalent „Out of the Blue“ konträre Aspekte heraus. Zum einen mögen sowohl der metaphorische Himmel im Deutschen, als auch das vergegenständlichte Blau des Englischen sommerliche Assoziationen wecken. Auf der Fahrt ins Blaue findet sich aber bestimmt nicht nur die heiß ersehnte Blaue Blume, sondern gewiss lässt sich auch so manches blaue Wunder erleben und der ein oder andere schlüpfrige Witz, der blue joke erheischen. Zur wortwörtlichen Bedeutung tritt nämlich der kommunikative Gebrauch hinzu. Wir sagen, etwas ereigne sich aus heiterem Himmel, out of the blue, um unser Staunen oder eine Überraschung auszudrücken. Plötzlich geschieht etwas unvorhergesehen, ganz anders als erwartet und folglich einhergehend mit Irritation. Das Ereignis lässt sich nicht mehr ungebrochen heiter, blau, naiv und leichten Sinnes abwenden oder gar vergessen. Vielmehr wird eben jene Heiterkeit, unsere Naivität und der Leichtsinn selbst als prekäres und gefährliches Moment markiert. Was aus heiterem Himmel, out of the blue, über uns kommt, steht notge-drungen im Gegensatz zu den Versprechen eines gerade noch reinen Blaus. So schwingt in besagten Ausrufen möglicherweise auch der bittere Unterton einer nicht verwundenen Enttäuschung mit oder aber jene ironische Gelassenheit, die angesichts von Unberechenbarkeiten und Ungerechtigkeiten des Lebens gewonnen werden mag. Schließlich trägt, was aus dem Blauen hereinbricht, immer auch die Spuren seiner „himmlischen“ Herkunft; sind es doch gerade die brenzligen Erfahrungen, die uns einen Hauch von Offenheit, Unendlichkeit, Kreativität und Neuanfang vermitteln und eine Welt in sich tragen, in der alles ganz anders ist als zu den Zeiten der Banalität des Alltags, kurz: die sinnliche Welt der Kunst.


Seestück
James Benning - "Die Filme des Amerikaners James Benning sind kinematografische Grundlagenforschung. Man kann dazu auch Experimental- oder Konzeptfilm sagen, schon weil man die Großartigkeit seines Unternehmens damit präzise zu fassen bekommt. Wenn das „Experiment“ – von lateinisch experiri: erfahren – eine Erfahrung beschreibt und damit einen Vorgang, der sich in der Zeit erstreckt und nach einem Subjekt verlangt, das etwas erfährt, dann benennt das Konzept den Begriff, die Idee, die im Entwurf eines Experiments stecken. Das Konzept hat keine Erstreckung in der Zeit und bedarf dieser genau dann, wenn es zu einer Erfahrung führen soll. Das Konzept lässt sich verstehen, aber nicht erfahren. Dass die minimalistischen Konzepte der Filme von James Benning für den Betrachter zu intensiven Erfahrungen werden, das ist die im Kino der Gegenwart wohl einmalige Stärke seines Werks. Das Konzept: Die Titel seiner beiden jüngsten Filme sind so lakonisch wie genau. 13 Lakes: Zu sehen sind 13 Seen. Jeder See wird von der Kamera aus einem festen Aufnahmewinkel aufgenommen, für je zehn Minuten realer Zeit. Man hört dazu, teils in nicht sehr brillanter Qualität, den Originalton. Ein Grundgeräusch, das nicht aus der Natur, sondern von den Aufnahmegeräten stammt, ist stets anwesend, drängt sich manchmal in den Vordergrund. Die Kamera bleibt starr und es geschieht, was geschieht. Wie man sich vorstellen kann, geschieht nicht viel. Auf den ersten Blick jedenfalls. Still und ziemlich starr ruht der See. Etwas oberhalb der Bildhälfte teilt der Horizont die Leinwand. Im Vordergrund jeweils der See, der Horizont hat die Gestalt von Bergen, einer Hafenbefestigung, auch einer Autobrücke, oder er ist nicht mehr als die dünne Linie, gelegentlich beinahe verschwindend, an der Himmel und Erde aneinander stoßen, ineinander übergehen. Die dreizehn Seen, genauer: die See-Ausschnitte sind ähnlich kadriert. Das Wetter ist unterschiedlich, sie sind unterschiedlich groß und bewegt, aber stets befindet sich der Horizont, als gezackter, gerader, verschwindender, die Grenze einer Spiegelung bildender split im screen."
Ekkehard Knöre ( Der Film wird am 23.08.2008 in der Galerie zu sehen sein )

Tatsächlich blau
ist Paco Fernandez' - Werk. Leuchtende Acrylfarbe ist hier auf gefundenes Holz in einer Art und Weise aufgetragen, die sich an die Spuren von Verwitterung und Abnutzung organisch anschmiegt. Splitter, Unebenheiten und Kratzer verleihen den einzelnen Holztafeln den unprätentiösen Charme des Nutzlosen. Dennoch erscheint das fünfteilige Arrangement nicht willkürlich jeglicher Ordnung oder dem Versuch der Kontrolle entzogen. Vielmehr gewinnt jedes Fundstück eine einzigartige Pigmentierung und Schattierung, so dass seine Individualität innerhalb des Ensembles gewahrt bleibt.

Mehrdeutig
Thomas Florschuetz - Nur scheinbar hell und allerhöchstens hellsichtig ist Thomas Florschuetz’ neue fotografische Arbeit. Sie zeigt Ausschnitte eines Militärflugzeugs vor himmelblauem Grund und trübt die Heiterkeit von Schäfchenwolken nicht zuletzt im Titel. Mit Valkyrie wagt sich der Künstler in finstere Gefilde vor. Denn so heißt nicht nur der abgebildete amerikanische Super Bomber aus den 60er Jahren und lautete Hitlers Codewort zur Unterdrückung möglicher Aufstände. „Valkyrie“ ist auch der Titel eines im Februar 2009 in Deutschland anlaufenden amerikanisch-deutschen Films von Bryan Singer über die „Operation Walküre“ und das erfolglose Attentat vom 20. Juli 1944 auf Adolf Hitler. Nach Germanischem Glauben sind Walküren weibliche Todesengel, von denen die ehrenvoll Gefallenen aus dem Schlachtfeld und nach Walhalla in Odins Kriegerparadies geleitet werden. Richard Wagner hat den nordischen Mythos im „Ring des Nibelungen“ zu vier Opern vertont. Ungeachtet all dessen konfrontiert die dreiteilige Fotografie den Betrachter mit der unmittelbaren Präsenz des Militärfliegers vor einer endlos scheinenden Weite des Himmels. Nähe und Distanz treten in ein extrem spannungsvolles Verhältnis.

Eine unerwartete Wiederentdeckung
Kuno Gonschior - Die in einigen der Malereien direkt miteinander in Korrespondenz stehenden Komplementärfarben rot und grün erzeugen eine starke Wirkung, die durch die Verwendung von Leuchtfarben nochmals potenziert wird. Das Ergebnis sind Vibrationen, die im Auge Nachbilder entstehen lassen und auf diese Weise zu spielerischen Sehexperimenten einladen. Gonschiors Bilder zeigen, wie auch mit dem Gebrauch traditioneller Medien immer noch neue und ungewöhnliche Ergebnisse generiert werden können. Innerhalb der Ausstellung ist es besonders der weniger rationalen, als spontan-intuitiven Auswahl der in den 70er Jahren entstandenen Werke zu verdanken, dass die kleinformatigen Bilder zusammen eine derart großartige Wirkung entfalten.

Der notwendige Antagonismus
Mary Heilmann - bewegt sich in ihren Bildern parallel zu Minimalismus und Pop-Art, ohne sich dabei einer bestimmten Formensprache unterzuordnen. Ironische Brechung traditioneller Muster und humoristische Anspielung auf ästhetisches Formkalkül wirken erfrischend und heiter. Doch das Bild verschließt sich auch dem kunstästhetisch unvoreingenommenen Auge nicht, sondern gewährt vielmehr Einblick in den reduzierten Malprozess einer freihändigen Arbeitsweise, die Einfachheit und Komplexität vereint.

Perfektion durch Leichtigkeit
François Morellet - Die vollkommene Form des weißen Quadrats dient in der Neonarbeit des französischen Künstlers als Grundfläche für fünf scheinbar beliebig angeordnete, rot leuchtende Neonröhren. Die sichtbaren elektrischen Anschlüsse betonen den Gebrauchswert der Röhren, die auf der mathematisch perfekten Figur des Quadrats, eine bestimmte von vielen möglichen Kombinationen bilden. Morellet sagt über seine Werke: "So habe ich mein Eingreifen (ich hoffe es), meine Kreativität und meine Sensibilität auf ein Minimum reduziert und kann Ihnen folgerichtig ankündigen, dass alles, was Sie, abgesehen von meinen kleinen Systemen, finden (und wenn dies nicht wäre), Ihnen als Betrachter gehört." François Morellet, Cholet, 1972

Handmade
Bruce Nauman - "Egal wie direkt, indirekt, mehrdeutig oder frivol Bruce Naumann das Thema bearbeitet hat, die "Hand" des Künstlers war ein durchgehender und ernsthaft verfolgter Gegenstand seiner Arbeit. (...) Die Hände spielen miteinander, posieren in verschiedenen Konfigurationen, berühren sich an unterschiedlichen Stellen, so wie die Fingerspitzen, die ein Loch bilden (oder sogar mehrere Löcher)." Die in der Ausstellung zu sehende Zeichnung besticht durch ihre heiter-frivole und gleichzeitig fast perfektionistisch anmutende Darstellung.
Joan Simon, Bruce Nauman Fingers and holes, in: Bruce Nauman Fingers and holes, Los Angeles, 1994, S.3

Vielschichtig
François Perrodin - "48.1" lautet der bescheiden-nüchterne Titel des gläsernen Werkes von Perrodin. Die schwarze Fläche scheint sich dem Betrachter zunächst einmal zu verweigern, indem sie ihm das eigene Spiegelbild zeigt. Jedoch wird bei näherem Hinsehen klar, dass die auf den ersten Blick zurückhaltend und schlicht wirkenden Arbeiten in ein äußerst komplexes Zusammenspiel mit dem Betrachter und dem Umraum treten. Das Werk ist „unbeständig, sensibel, reagierend … oder vielmehr, seine Wahrnehmung ist stets unbeständig, sensibel, reagierend“ (Francois Perrodin, 1995). Denn es sind stets "drei Elemente" zu beachten und in Zusammenklang zu bringen: "Das Objekt selbst, der Raum, in dem sich dieses Objekt befindet, und der Betrachter, der das Objekt anschaut und sieht. Variationen dieser drei Parameter definieren in einem bestimmten Moment eine bestimmte Erscheinung und zeigen den Blick als eine sich immer wieder erneuernde Erfahrung.“ (François Perrodin, 2006)

Der Dialog zwischen Form und Farbe
Elisabeth Vary und Günther Umberg - "Der Dialog ist eine Methodik, die es dem Künstler erlaubt, die Dimension seines Schaffens zu erweitern; wo jedes malerische Element - auch wenn es einen klar definierten Bereich einnimmt - Teil des allgemeinen Ablaufs aneinander gereihter Wahrnehmungsmomente in der Konstanz des Raumes ist." Elisabetta Pozzetti, in contemporaryarts, Publi Paolini, 2007, Mantova, p.62

Günther Umberg - beschäftigt sich seit langem mit den Ausdrucksmöglichkeiten der monochromen Malerei und dem Dialog zwischen dem Werk und dem Raum, der es bei der Präsentation umgibt. (...) Seine "Malerei ist radikal vom ersten Akt an, durch den sie als physischer Körper in Beziehung zum Raum entsteht. (...) Umberg verstand die Aktion, die die Raumausdehnung der Farbe bestimmt, immer als einen Moment, in dem Malerei für sich selbst offenbar wird, als Möglichkeit, um von den bestimmten Abmessungen des Trägers auf die unendliche Spannung des Raums überzugehen." Claudio Cerritelli, in Malerei als Wahrheit der Farbe, in Protagonisti in Arte 9, Mailand, 1999, S. 46

Elisabeth Vary - Auch bei Elisabeth Vary "steht die Frage nach Raum und Zeit im Mittelpunkt ihrer malerischen Reflexion, denn sie nimmt in ihrer künstlerischen Untersuchung Farbe als Organismus an, der die möglichen Beziehungen zur Umgebung schon in sich enthält. (...) Ihre Arbeiten sind Kompositionen, die auf verschiedene Art und Weise zum Raum gehören: mal wird die plastische Form der Oberfläche mit der Materialität verbunden, mal werden diese Charaktere entschieden voneinander abgesetzt als entgegengesetzte Energien, mit einer zweifachen Bedeutsamkeit." Claudio Cerritelli, in: Malerei als Wahrheit der Farbe, in: Protagonisti in Arte 9, Mailand, 1999, S. 49

Visuelle Forschung
Caroline von Grone - sagt über ihre Malerei, die sie selbst als "visuelle Forschung" bezeichnet: "Was in der Realität unscheinbar, oder auf dem Foto flach aussieht, kann in der Malerei eine große Tiefe gewinnen." "Die Gemälde der Künstlerin sind keine fotorealistischen Abbilder der Realität, sondern vielschichtige, mit malerischen Mitteln komponierte Reflexionen über die Wirklichkeit. Caroline von Grone nutzt die Malerei, mit einer Formulierung des Malers und Kritikers Hans Platschek, als Instrument (...), um die Wirklichkeit über ihre Brüche und Partikel hinaus - oder mit ihren Brüchen und Partikeln - zu bezeichnen." Claudia Herstatt, Finden ohne zu erfinden und Belinda Grace Gardner, Reflexe einer erweiterten Realität, in: Caroline von Grone, Frisch Gestrichen, Düsseldorf, 2005, S. 10 bzw S. 16

Eine Aufgabe der Poesie
Peter Wegner - "Eine Farbe ist eine Sache. Ein Name eine andere (...). Die Aufgabe, Farben zu benennen, ist eine Aufgabe der Poesie." Wie kann man Farben in Worten ausdrücken? Dies sind Fragen, die sich Peter Wegner in seiner künstlerischen Arbeit stellt. Aber es geht ihm nicht allein um die Beschäftigung mit Farben und die poetischen Möglichkeiten ihrer Benennung, sondern vielmehr um das Studium von Systemen, das bereits die Konzeptkünstler der 60er und 70er Jahre beschäftigte. Das System Sprache ist dabei ein wichtiges Element seiner Arbeit.
Buildings made of sky ist ein schönes Beispiel für die mediale Vielfalt, mit der er sich befasst. Es besteht aus 32 Einzelfotografien, die gewohnte Stadtansichten buchstäblich auf den Kopf stellen. Der durch die Umkehrung des Bildes in den Fokus rückende Himmelsausschnitt soll den Blick für den freien Raum in der Stadt schärfen.
Kuno Gonschior, o.T., 1966, Leuchtfarbe auf Leinwand, 70 x 70 cm
Mary Heilmann, M, 1985, Acryl auf Leinwand, 152,5 x 106,5 cm
Günter Umberg, Ohne Titel, 2007/2008 Farbe auf Holz, 60,5 x 53,5 cm
Elisabeth Vary, o.T., 2007/08, Öl- und Acrylfabre auf Karton, 30 x 31 x 30,5 cm
Caroline von Grone, Schatten meiner Selbst, 2007, Öl auf Leinwand, 122 x 244 cm
Thomas Florschuetz, o.T. (Valkyrie), 2007, Cibachrome, 3-tlg., je 183 x 137 cm
James Benning, 13 Lakes, Videostill, 2004
Vorstellung am 23.8.2008
Paco Fernandez, o.T., 2004, Acryl auf Holz, 5tlg. 30 x 28,5 cm, 48 x 23 cm, 29 77 cm, 100 x 100 cm
Peter Wegner, Buildings made of sky, 2007, 32 Farbfotografien, gesamt 162 x 265 cm