Ausstellungsinformationen
Do you see me? / Siehst Du mich?
Do you see me? / Siehst Du mich?
Portrait in Malerei, Fotografie und Film
Caroline von Grone , Frank Höhle , Oliver Godow , Melanie Manchot
12. Mai bis 4. August 2010
Eröffnung am Mittwoch, 19. Mai um 18 Uhr mit Lisa Le Feuvre
„Do you see me?“ spielt auf das Verhältnis zwischen Künstler, Portraitiertem und Betrachter an. Die Arbeiten der Malerin Caroline von Grone, der Fotografen Frank Höhle und Oliver Godow sowie der mit Fotografie und Film arbeitenden Künstlerin Melanie Manchot beziehen den Betrachter in ein spannungsreiches Geflecht von Blicken ein. Die Ausstellung reflektiert über Aspekte, wie verschiedene Medien unsere Wahrnehmung lenken und wie wir selbst eingebunden sind in die Konstellationen aus Fremdinszenierung, Selbstpräsentation, Betrachtung und Beobachtung. Dabei gerät nicht nur das „Image“ der Dargestellten in den Fokus. Auch der umgebende Ort, ob inszeniert, imaginiert oder real, spielt eine Rolle als bildgestaltendes Element, Schau-Platz oder zentrales Motiv. Die Ausstellung findet als Bestandteil von next 1 – discussing photography im Rahmen der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010 statt. Vom 17. bis 22. Mai sind sechs Institutionen im Ruhrgebiet Gastgeber für Begegnungen zwischen Künstlern, Kritikern, Kuratoren, Lehrenden und der Öffentlichkeit.
Siehst du mich?
Lisa Le Feuvre
In seiner Erzählung "Abenteuer eines Photographen" schildert Italo Calvino die missliche Lage von Antonino Paraggi, eines jungen Mannes, der zutiefst an der Fähigkeit der Fotografie zweifelt, das Wesen einer Person angemessen wiederzugeben. Er ist besessen von der Unmöglichkeit, ein Individuum auf ein einziges Bild zu reduzieren, und überzeugt davon, dass die Beziehung zwischen Fotografie und Erinnerung auf einem Scheitern beruht. All seine Versuche, eine ihm bekannte Person in einem Bild widerzuspiegeln, lassen sich, wie es Paraggi scheint, nicht mit seinen Erinnerungen in Einklang bringen. Calvinos Figur beobachtet, wie seine Freunde beschließen, mit Hilfe der Kamera die Gegenwart in Besitz zu nehmen. So versetzt die Tätigkeit des Porträtierens Paraggi in wachsende Unruhe. Er befürchtet, die Fotografie führe dazu, dass die von ihr nicht festgehaltenen Ereignisse verloren gehen und aus dem Gedächtnis verschwinden, da die nicht aufgezeichneten Augenblicke vergessen werden, als ob es sie nie gegeben hätte. Ein Porträt stellt das Vergessen ebenso wie das Erinnern dar.
Als er gebeten wird, zwei Freundinnen zu fotografieren, entgegnet Paraggi, mit der Kamera in der Hand: „Was bringt euch dazu, aus der beweglichen Kontinuität eures Tages diese zeitlichen Schnitten von der Dicke einer Sekunde herauszunehmen?“ Für ihn kommt der Wunsch nach einer Repräsentation einem momentanen Versäumnis gleich, sich mit der Welt zu beschäftigen. Schließlich versucht Paraggi trotzdem, für sich selbst zu fotografieren, doch bei dem Versuch, das ideale Bildnis zu schaffen, erfasst ihn die Sehnsucht nach einer erinnerten Vergangenheit, und er lässt sein Gegenüber posieren, um seinen eigenen Idealen zu entsprechen, so als „wollte er […] versuchen, Erinnerungen zu photographieren, oder womöglich das aus dem Gedächtnis emportauchende, verschwommene Echo der Erinnerung“. Schließlich glaubt er, dass es ihm gelungen sei, ein genaues Porträt festzuhalten, als er beginnt, eben jene Bilder abzufotografieren, die er wegen ihrer Unfähigkeit, etwas auszusagen, bereits verworfen hatte. Unsere Subjektivität trübt den Blick auf das, was wir sehen und was wir verstehen. Sehen ist gleichzeitig persönlich und politisch.
Jedes Porträt ist subjektiv und scheitert in seiner Darstellung. Die formalen Eigenschaften, die man zur Herstellung des Bildes wählt, sei es die Farbigkeit, Komposition oder Verweise auf kunsthistorische Typologien, verweisen auf spezifische Betrachtungsweisen. Jedes Bild offenbart eine bestimmte Art des Sehens, die gleichzeitig auf das bereits Bestehende und auf mögliche imaginierte und projizierte Geschichten hindeutet. Das Porträt ist eine komplexe Angelegenheit, was das Sujet, die Mittel seiner Fixierung und die anschließende Übermittlung an ein unberechenbares öffentliches Feld betrifft. Diese Ausstellung von Caroline von Grone, Frank Höhle, Oliver Godow und Melanie Manchot wirft die Frage „Do you see me?“ auf, um die Funktionsweisen von Porträts in Malerei, Fotografie und Film zu untersuchen. Sehen beruht auf Geben, Nehmen und Erlaubnisverweigerung – ein Prozess, der auf Kontrolle beruht und der materiellen und immateriellen Strukturen eingeschrieben ist.
Mit der Frage „Do you see me?“ verweisen die vier Künstler auf das Porträt als einen Gedankenaustausch, der aus unkalkulierbaren Handlungen und dem Zusammenwirken von Kommunikation und Erinnerung entsteht. Gertrude Stein sprach vom kontinuierlichen Präsens: ein Begriff, der mit Erfahrung und Wissen zu tun hat, ebenso wie mit Erfahrungswissen und Wissenserfahrung. Anstatt Konstanz zu erzeugen, machen diese Wiederholungen jede Erfahrung einzigartig und dehnen sie zeitlich und räumlich in einem Prozess, der die Aufmerksamkeit schärft. Von Grones Arbeiten sind ebenso Porträts der Künstlerin wie ihres Modells; es geht in ihnen ebenso um Ablenkung wie um Aufmerksamkeit. Indem sie die Porträts dort malt, wo die Resultate gezeigt werden, lässt sie den Prozess in Präsentation umschlagen und lässt Zeit und Raum, wie es Paraggi anstrebte, in das Porträt einfließen. Manchots Filme greifen zurück auf Erinnerungsfetzen der Künstlerin an leidenschaftliche Begegnungen, die sie zufällig an öffentlichen Orten beobachtete. Mithilfe des Doubles bringt sie die Vergangenheit in der Gegenwart neu zum Ausdruck, indem sie, wie von Grone, den Raum zwischen der Erinnerung und ihrer Repräsentation untersucht. In Höhles wiederholten Aktionen, die mittels einer veränderlichen Anordnung von Modellen die alltäglichsten Posen reproduzieren, treten die Differenzen am deutlichsten hervor. Dies sind Studien über das Sehen und Gesehenwerden. Auch Godows Fotografien gehen der Art und Weise nach, wie die Welt um uns herum wahrgenommen wird und werden kann. Er erzählt eine bruchstückhafte Geschichte anhand von Einzelheiten, die seine eigenen Sehvorgänge geprägt haben, und bezieht subjektive Sichtweisen ein, um vorzuschlagen, wie sich Hypothesen über das Sehen neu formulieren und bewerten lassen.
Portrait in Malerei, Fotografie und Film
Caroline von Grone , Frank Höhle , Oliver Godow , Melanie Manchot
12. Mai bis 4. August 2010
Eröffnung am Mittwoch, 19. Mai um 18 Uhr mit Lisa Le Feuvre
„Do you see me?“ spielt auf das Verhältnis zwischen Künstler, Portraitiertem und Betrachter an. Die Arbeiten der Malerin Caroline von Grone, der Fotografen Frank Höhle und Oliver Godow sowie der mit Fotografie und Film arbeitenden Künstlerin Melanie Manchot beziehen den Betrachter in ein spannungsreiches Geflecht von Blicken ein. Die Ausstellung reflektiert über Aspekte, wie verschiedene Medien unsere Wahrnehmung lenken und wie wir selbst eingebunden sind in die Konstellationen aus Fremdinszenierung, Selbstpräsentation, Betrachtung und Beobachtung. Dabei gerät nicht nur das „Image“ der Dargestellten in den Fokus. Auch der umgebende Ort, ob inszeniert, imaginiert oder real, spielt eine Rolle als bildgestaltendes Element, Schau-Platz oder zentrales Motiv. Die Ausstellung findet als Bestandteil von next 1 – discussing photography im Rahmen der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010 statt. Vom 17. bis 22. Mai sind sechs Institutionen im Ruhrgebiet Gastgeber für Begegnungen zwischen Künstlern, Kritikern, Kuratoren, Lehrenden und der Öffentlichkeit.
Siehst du mich?
Lisa Le Feuvre
In seiner Erzählung "Abenteuer eines Photographen" schildert Italo Calvino die missliche Lage von Antonino Paraggi, eines jungen Mannes, der zutiefst an der Fähigkeit der Fotografie zweifelt, das Wesen einer Person angemessen wiederzugeben. Er ist besessen von der Unmöglichkeit, ein Individuum auf ein einziges Bild zu reduzieren, und überzeugt davon, dass die Beziehung zwischen Fotografie und Erinnerung auf einem Scheitern beruht. All seine Versuche, eine ihm bekannte Person in einem Bild widerzuspiegeln, lassen sich, wie es Paraggi scheint, nicht mit seinen Erinnerungen in Einklang bringen. Calvinos Figur beobachtet, wie seine Freunde beschließen, mit Hilfe der Kamera die Gegenwart in Besitz zu nehmen. So versetzt die Tätigkeit des Porträtierens Paraggi in wachsende Unruhe. Er befürchtet, die Fotografie führe dazu, dass die von ihr nicht festgehaltenen Ereignisse verloren gehen und aus dem Gedächtnis verschwinden, da die nicht aufgezeichneten Augenblicke vergessen werden, als ob es sie nie gegeben hätte. Ein Porträt stellt das Vergessen ebenso wie das Erinnern dar.
Als er gebeten wird, zwei Freundinnen zu fotografieren, entgegnet Paraggi, mit der Kamera in der Hand: „Was bringt euch dazu, aus der beweglichen Kontinuität eures Tages diese zeitlichen Schnitten von der Dicke einer Sekunde herauszunehmen?“ Für ihn kommt der Wunsch nach einer Repräsentation einem momentanen Versäumnis gleich, sich mit der Welt zu beschäftigen. Schließlich versucht Paraggi trotzdem, für sich selbst zu fotografieren, doch bei dem Versuch, das ideale Bildnis zu schaffen, erfasst ihn die Sehnsucht nach einer erinnerten Vergangenheit, und er lässt sein Gegenüber posieren, um seinen eigenen Idealen zu entsprechen, so als „wollte er […] versuchen, Erinnerungen zu photographieren, oder womöglich das aus dem Gedächtnis emportauchende, verschwommene Echo der Erinnerung“. Schließlich glaubt er, dass es ihm gelungen sei, ein genaues Porträt festzuhalten, als er beginnt, eben jene Bilder abzufotografieren, die er wegen ihrer Unfähigkeit, etwas auszusagen, bereits verworfen hatte. Unsere Subjektivität trübt den Blick auf das, was wir sehen und was wir verstehen. Sehen ist gleichzeitig persönlich und politisch.
Jedes Porträt ist subjektiv und scheitert in seiner Darstellung. Die formalen Eigenschaften, die man zur Herstellung des Bildes wählt, sei es die Farbigkeit, Komposition oder Verweise auf kunsthistorische Typologien, verweisen auf spezifische Betrachtungsweisen. Jedes Bild offenbart eine bestimmte Art des Sehens, die gleichzeitig auf das bereits Bestehende und auf mögliche imaginierte und projizierte Geschichten hindeutet. Das Porträt ist eine komplexe Angelegenheit, was das Sujet, die Mittel seiner Fixierung und die anschließende Übermittlung an ein unberechenbares öffentliches Feld betrifft. Diese Ausstellung von Caroline von Grone, Frank Höhle, Oliver Godow und Melanie Manchot wirft die Frage „Do you see me?“ auf, um die Funktionsweisen von Porträts in Malerei, Fotografie und Film zu untersuchen. Sehen beruht auf Geben, Nehmen und Erlaubnisverweigerung – ein Prozess, der auf Kontrolle beruht und der materiellen und immateriellen Strukturen eingeschrieben ist.
Mit der Frage „Do you see me?“ verweisen die vier Künstler auf das Porträt als einen Gedankenaustausch, der aus unkalkulierbaren Handlungen und dem Zusammenwirken von Kommunikation und Erinnerung entsteht. Gertrude Stein sprach vom kontinuierlichen Präsens: ein Begriff, der mit Erfahrung und Wissen zu tun hat, ebenso wie mit Erfahrungswissen und Wissenserfahrung. Anstatt Konstanz zu erzeugen, machen diese Wiederholungen jede Erfahrung einzigartig und dehnen sie zeitlich und räumlich in einem Prozess, der die Aufmerksamkeit schärft. Von Grones Arbeiten sind ebenso Porträts der Künstlerin wie ihres Modells; es geht in ihnen ebenso um Ablenkung wie um Aufmerksamkeit. Indem sie die Porträts dort malt, wo die Resultate gezeigt werden, lässt sie den Prozess in Präsentation umschlagen und lässt Zeit und Raum, wie es Paraggi anstrebte, in das Porträt einfließen. Manchots Filme greifen zurück auf Erinnerungsfetzen der Künstlerin an leidenschaftliche Begegnungen, die sie zufällig an öffentlichen Orten beobachtete. Mithilfe des Doubles bringt sie die Vergangenheit in der Gegenwart neu zum Ausdruck, indem sie, wie von Grone, den Raum zwischen der Erinnerung und ihrer Repräsentation untersucht. In Höhles wiederholten Aktionen, die mittels einer veränderlichen Anordnung von Modellen die alltäglichsten Posen reproduzieren, treten die Differenzen am deutlichsten hervor. Dies sind Studien über das Sehen und Gesehenwerden. Auch Godows Fotografien gehen der Art und Weise nach, wie die Welt um uns herum wahrgenommen wird und werden kann. Er erzählt eine bruchstückhafte Geschichte anhand von Einzelheiten, die seine eigenen Sehvorgänge geprägt haben, und bezieht subjektive Sichtweisen ein, um vorzuschlagen, wie sich Hypothesen über das Sehen neu formulieren und bewerten lassen.
Malprojekt Caroline von Grone, Januar 2010
Frank Höhle, Portrait I, 2008
Oliver Godow, VIP 212, 2005
Melanie Manchot, Kiss Film Stills, 2009